Oben

Der Sturm vertreibt mich aus den Bergen. Eine Nacht wie diese reicht erst Mal, es ist Zeit, eine andere Gegend auszukundschaften. Etwas planlos fahre ich Richtung Süden. Wanaka oder Queenstown vielleicht ? Ja, den berühmten Wanaka-Tree würde ich gerne einmal bei Sonnenuntergang fotografieren.

 

Während ich fahre, schmiede ich Pläne und sehe ein Schild an mir vorbeirauschen. Omarama lese ich. Stimmt, vor 2 Jahren war ich doch schon in dieser Gegend – bereit für ein Abenteuer. Leider hat es damals aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. An den Wipfeln der Bäume kann ich erkennen, dass auch jetzt keine idealen Bedingungen sind, aber ich setze den Blinker dennoch.

 

 5 Minuten später stehe ich in einem kleinen Büro und schaue mir fasziniert eine Werbevideo an. Wie vermutet sind heute die Bedingungen ungeeignet. Morgen soll es aber einen sehr schönen Tag geben und ich beschließe, meine Pläne etwas zu verändern. Ja, morgen, um 13 h – ich bin dabei !

 

Nach Wanaka fahre ich trotzdem, über den Lindis Pass und vorbei an tausenden von Lupinen in der Blüte. Eigentlich ist der Weg für eine Nacht zu weit, und morgen muss ich den gleichen Weg wieder zurück. Aber der Baum im See zieht mich an.

 

Wanaka ist übervoll, die Straßen sind voller Fahrzeuge und die Parkplätze alle belegt. Ich parke außerhalb und laufe zurück in einen Foto-Shop, um mir ein neues Gehäuse für meine GoPro zu kaufen. In Tonga ist mir eine von 2 Halterungen abgebrochen und ich sollte morgen besser intaktes Equipment verwenden, um die hoffentlich tollen Aufnahmen auch heil nach Hause zu bringen. Meine Sicherungsleine - Angelschnur - hat damit ausgedient ;-)

 

Leider ist der Campingplatz, der am nächsten am berühmten Baum steht, ausgebucht. Ein paar km weiter gibt es zu Glück noch Einen, und ich buche für eine Nacht. Nachdem ich mich länger mit einem Amerikaner, der in Australien lebt und aktuell nach Neuseeland einwandern möchte, unterhalten habe, mache ich mich auf den Weg zum See. Es windet (mal wieder…) und die Wellen am See sind – für einen See – recht groß, wie ich finde. Schlecht für’s Foto. Positiv ist allerdings, dass sich nur eine Hand voll weiterer Fotografen am Ufer tummelt.

 

Ich verweile gut 2 Stunden in der Nähe des Baumes und bin etwas enttäuscht, dass sich der Sonnenuntergang nicht so entwickelt, wie ich es mir erhofft hatte. Schade, aber das bedeutet, dass ich wieder zurückkehren werde ;-)

Am nächsten Morgen fahre ich zurück nach Omarama. Viertel vor Eins bin ich im Büro und möchte mein Abenteuer antreten. „Wie war nochmal der Name ? Nein, tut mir leid, ich habe für heute keinen Fred im Fahrplan stehen…“. Ich bitte die Dame, nochmals nachzuschauen, ich war doch gestern hier und habe gebucht. Und dann findet sie mich – allerdings für morgen. Scheinbar hat der Mitarbeiter gestern etwas falsch eingetragen. Da es für heute – das Wetter ist ideal – sehr voll aussieht, ruft sie den Manager des Flugplatzes an, der 5 Min. später auf einem Quad fahrend eintrifft. Die beiden diskutieren ein paar Minuten und können mir einen neuen Termin um 16 h geben. Sehr cool :-).

 

Allerdings bedeutet das, dass ich die Nacht in Omarama verbringen muss, da am Abend keine Zeit mehr für die Weiterfahrt sein wird. Ich checke auf einem unspektakulären CP am Rande des Städtchens ein und erhalte um halb 4 einen Anruf. Es kann los gehen. Yeah !

Im Büro angekommen treffe ich Gavin, meinen Piloten. Bereits gestern habe ich mich kurz mit ihm unterhalten, als ich die Optionen abgewogen hatte. Jetzt ist für mich klar : die 20 Minuten sind mir zu kurz. Ich nehme die volle Stunde, mit der Option auf „long Distance“, sofern ich mich gut fühle und mir nicht schlecht wird, was bei Turbulenzen durchaus vorkommen kann.

 

Ich erfahre, dass ich meine Kamera nicht mit an Board nehmen darf – zu groß, die können da oben zum Geschoss werden und die Scheibe durchschlagen. GoPro ist ok, aber es gibt leider keine Halterungen, um diese anzubringen. Mist, da hat mich das Werbevideo und die Aussagen der Mitarbeiter wohl fehlgeleitet und mir falsche Hoffnungen gemacht. Kann ich die GoPro denn nicht am Flügel anbringen ? Als Antwort bekomme ich nur fragende Blicke…

 

Meine Rettung ist ein junger Franzose, mit dem ich gestern ebenfalls kurz gesprochen hatte. Er arbeitet seit 6 Monaten hier, „Bodenpersonal“. Er sieht meinen Saugnapf, mit dem ich die GoPro normalerweise am Auto befestige. Dieser ist zwar nur bis 100 km/h ausgelegt, aber mit Tape könnte die Kamera damit am Flügel halten. Garantiert ? Nein, eine Garantie gibt mir natürlich keiner…aber ich gehe das Risiko ein. Er holt Klebeband und wir bringen die GoPro – mit neuem Gehäuse – am Flügel an. Ich bekomme einen Fallschirm und zwänge mich in das enge Cockpit. Es ist so eng, dass auch ich ein paar Aufgaben übernehmen muss/darf : Lautstärke vom Funk, Frequenz einstellen, Räder einfahren.

 

Kurze Zeit später geht es los. Eine kleine Maschine zieht uns am Seil über die holprige Piste und wir heben ab. Meine GoPro blinkt am Flügel, ich bin gespannt, wie lange sie durchhält. Und ob sie am Ende noch dort klebt, wo sie sich jetzt befindet.

 

Das kleine Flugzeug zieht uns zu den Hügeln und Gavin entkoppelt das Seil – wir gleiten. Das erste Ziel : die warme Luft finden, die an den Berghängen nach oben steigt. Kurz darauf biept das Messgerät und wir haben etwas Aufwind gefunden, der es uns erlaubt, nach oben zu kreisen.

 

Wir erreichen 8000 Fuß, die Aussicht ist atemberaubend. Lake Benmore, Flüsse, die braunen Hügel und auch die ersten Ausläufer der Südalpen sind zu sehen. In der Ferne erkenne ich Mt. Cook, der im weitestgehend grauen Gebirge mit seinem weisen Gipfel herausragt. Faszinierend, und ich hege die Hoffnung, sehr nahe an meinen Lieblingsberg heranzukommen. Was ich da noch nicht weiß : die Distanz ist viel zu weit, und wir bräuchten zudem eine ordentliche Portion an Glück, denn nur mit dem richtigen Wind wäre es theoretisch überhaupt denkbar.

 

Mein Handy ist die einzige Kamera, mit der ich (von innen) Aufnahmen machen kann, aber ich produziere Bilder und Videos am Fließband, es gibt so viel zu sehen. Die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten – wunderschön. Hier oben vergisst man alles andere, der Blick nach unten lässt mich einfach nur staunen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mich in der Höhe befinde. Aber es ist trotzdem eine andere Erfahrung, nicht zu vergleichen mit der großen Boeing, der kleinen Cessna oder dem Helikopter. Kein Motor, der dröhnt. Manchmal verschwindet auch das Pfeifen des Windes und das Biepen des Höhenmessers, dann ist es fast ganz still. In dem kleinen Segelflieger ist die Erfahrung irgendwie persönlicher. Alles fühlt sich näher, deutlicher, klarer an – als ob ich hier hingehöre, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist.

Die eine Stunde ist längst vorbei, keine Spur von Unwohlsein – das habe ich vor allem dem ruhigen Wind zu verdanken. Wir gleiten weiter durch die Lüfte, bis es nach 2 Stunden dann so weit ist : wir kehren um. Ich werfe einen letzten Blick auf Mt. Cook, und es geht zurück nach Omarama. Die GoPro ist noch da, gut 2 Stunden hat das rote Licht geblinkt, erstaunlich lange.

 

Kurz vor der Landebahn wird es noch einmal aufregend, ich soll den Segelflieger steuern. Gavin gibt mir Anweisungen, die ich so gut wie möglich auszuführen versuche. Ich führe auf dem Weg nach unten 2 Kreise durch, der Boden kommt immer näher. Dann wird es mir zu brenzlig und ich überlasse das Steuer lieber wieder Gavin. So landen wir dann auch sicher auf dem Flugfeld und ich verlasse glücklich den Glider, GoPro in der Tasche.

 

Ein unglaubliches Erlebnis, aufregend und wunderschön zugleich. Den größten Schock erlebe ich dann tatsächlich erst mit festem Boden unter den Füßen : Als ich die Videos der GoPro überspielen möchte, finde ich nur ein Video mit einer Länge von 17 Minuten. Ich ärgere mich 2 Stunden lang, bis ich am Ende dann doch noch 6 weitere Clips finde, die aus unerfindlichen Gründen völlig wirr sortiert und mit schrägen Dateinamen versehen am Ende meines Ordners schlummern. Puh…  

 

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