Belohnung ?

In den letzten Tagen habe ich mich oft gefragt, wie es den Pionieren & Entdeckern dieser Welt ergangen sein mag. Diese unerschrockenen, mutigen, abenteuerlustigen und zähen Männern und Frauen, die versucht haben, ihre Träume und Ziele zu verwirklichen. Gegen alle Widerstände, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Cooks, Twains, Livingstons und Columbus‘ dieser Welt – wie war deren Leben in Ihrer Entdeckerzeit und welche Belohnung haben Sie bekommen ?

 

Die Frage ist deshalb so aktuell für mich, weil auch Andi und ich ehrgeizige Ziele verfolgen. Unsere Träume verwirklichen wollen. Neuland betreten wollen. Komme, was da wolle.

 

Aber natürlich beschäftigt mich auch die Frage, wie es den Pichlmeiers, Flinsenhubers und Brunzmüllers ergangen sein mag – jenen ehrgeizigen Pionieren, denen der Eintrag in die Geschichtsbücher verwehrt blieb, die keine triumphale Heimkehr hatten, keine Statue in Bronze gegossen bekamen, deren Namen unbekannt geblieben sind und heute nicht auf Wikipedia zu finden sind. Hat sich für diese gescheiterten Entdecker gelohnt, ihre Träume zu verfolgen ? Und in welcher Kategorie würden wir mit unseren Plänen und deren Umsetzung eingeordnet werden ? Gefeierte Helden oder geknickte Versager ?

 

Aber Zweifel sind die ersten Vorboten des Scheiterns, und so packten wir unsere 7 Sachen und brachen auf.

 

Zunächst war da das Vorhaben, als erste Menschen ohne Sauerstoffmaske Mount Hutt zu erklimmen (oder sagen wir eher, zu „erfahren“). Mutig und unerschrocken machen wir uns auf den Weg, den Riesen zu bezwingen. Uns war von Anfang an bewusst, dass dies kein leichtes Unterfangen werden würde. Hindernisse würden uns in den Weg gestellt werden, Rückschläge würden ertragen werden müssen – aber uns konnte nichts aufhalten. Die Route war gewählt, die Ausrüstung gepackt und unser Abenteuer konnte beginnen.

 

Schon schnell wurde klar, worauf wir uns eingelassen hatten : 17 km Gravelroad (Schotterpiste) stellte sich uns entgegen und grinste uns an……wohlwissend, dass wir mit unserem löchrigen Untersatz leichte Beute für Mount Hutt und seine ausgetrockneten Straßen sein würden. Aber wir ließen uns nicht entmutigen. Bald daruf wurde deutlich, dass unsere Vorkehrungen nicht ausreichen würden, um uns den Dreck vom Leibe zu halten. Wir saßen – und das sage ich ohne Übertreibung – in einer riesigen Staubwolke, die sich in unserem Gefährt breit machte und uns kaum Luft zum atmen ließ. Mehrere Nachbesserungsversuche blieben ohne Erfolg oder waren nicht ganz sauber bis zum Ende durchdacht.

 

Das Abkleben des Fußraumes mit Müllsäcken brachte wenig Erfolg (die Wolke breitete sich weiterhin um uns herum aus). Der Einsatz von Sekundenkleber, um die Türdichtungen undurchdringlicher zu machen, zeigte ebenfalls wenig Wirkung (mal ganz davon abgesehen, dass es beim öffnen der Türen Schwierigkeiten gab). Das Herunterkurbeln der Fenster half wenig – es konnte zwar Staub nach draußen, aber es kam auch postwendend wieder Neuer herein. Auch das Abkleben des Abwasserschlauches verhinderte das Eindringen der Staubpartikel nicht, leider (note to myself : nicht vergessen, vor Abgabe des Autos das ganze Tape wieder zu entfernen, ansonsten erleben unsere Nachfolger eine böse Überraschung…..).

 

So ließen wir es gezwungenermaßen über uns ergehen und keuchten ebenso vor uns hin, wie unser Jucymobil, das nebst der steinigen Schotterpiste auch mit den immer steileren Anstiegen zu kämpfen hatten. Es half nur eins : eine Pause musste her, um Mensch und Maschine ein bisschen Erholung zu gönnen. Völlig außer Atmen nahmen wir nach Abstellen des Motors ein blubberndes Geräusch war, um kurze Zeit später festzustellen, dass das

Kühlwasser unseres klapprigen Gefährten buchstäblich kochte. Ja, Mount Hutt, das Monster der Alpen, zeigte seine Zähne. War es vielleicht gar unbezwingbar ? Waren die Hänge zu steil, für Menschen schlichtweg nicht zu erklimmen ? In der Tat, während unserer kleinen Pause kamen erste Zweifel auf, und als ein Moutainbiker fröhlich an uns vorbeistrampelte und uns zurief „nach ein paar 100 Meter ist das Schlimmste überstanden“ verließ uns beim Hören auf unser weiterhin köchelndes Kühlwasser etwas der Mut (der Gedanke, dass wir vielleicht doch nicht die ersten auf dem Gipfel sein könnten, kam uns zu dem Zeitpunkt nicht – auch realisierten wir erst später, dass Neuseeland’s Version von Ulle den Aufstieg vermutlich mit einer schnelleren Durchschnittsgeschwindigkeit bewältigen würde als wir). Und dann kam mir Olli Kahn in den Sinn : „Immer weitermachen“ hatte er jahrelang propagiert. Aufgeben war nicht, und das hatten auch wir nicht vor !

 

Auch die Aussicht auf Triumph, Erfolg, Ruhm und Belohnung spielte eine Rolle, als wir in unser Auto auf Leihe hüpften, die Weiterfahrt antraten und das Kühlwasser seinem Namen alle Ehre machen ließen (hoffentlich). Mehr schlecht als Recht ächzten wir den Berg hinauf. Die Abhänge waren steil, aber immerhin : die Aussicht war wirklich grandios (Belohnung, Teil 1 ?). Und tatsächlich hatte Ulle recht gehabt : nach wenigen Kilometern durch Staub und über Stock und Stein wurde es langsam flacher und die Reise wurde bequemer – von den Felsbrocken und Steinen auf und am Wegesrand mal abgesehen. Wir konnten die Spitze bereits erkennen und der süße Geschmack des Erfolges machte sich breit. Es war wirklich nicht mehr weit und in freudiger Erwartung nahmen wir – nach einer weiteren Pause (Gruß vom Kühlwasser) – die letzten Meter in Angriff.

 

Wir erhöhten das Tempo und zogen eine riesige Staubwolke hinter uns her, holten das Letzte aus unserem treuen Gipfelstürmer heraus…..bis es passierte… mit einer Vollbremsung konnte Andi das Unglück gerade noch verhindern : den Zusammenstoß mit einer Schranke aus Eisen und allem möglichen schweren Metall….Mount Hutt hatte sich doch tatsächlich 2km vor dem Gipfel eingeschloßen, es sah so aus, als ob es schwieriger war, in ein Gefängnis ein- oder auszubrechen, als diese Hürde zu überwinden. Ja, das Monster der Alpen hatte uns eine letzte und definitiv unüberwindbare Barriere in den Weg gestellt.

 

Schlagartig war uns klar : wir mussten uns geschlagen geben. Belohnung Fehlanzeige, keine Aussicht auf die andere Seite der Alpen, keine Bergblümchen, die uns am Gipfel begrüßen, kein Eintrag in die Geschichtsbücher – jetzt wussten wir, wie sich Pichlmeier fühlte, als er als erster Mensch versuchte, mit einem Tretboot die Antarktis zu Umrunden und dabei schon nach wenigen Seemeilen kläglich scheiterte, da seine Füße sowohl an seinen Wanderschuhen als auch den Pedalen festfroren.

 

Immerhin gestattete uns Mt. Hutt einen Blick Richtung Küste, diese Aussicht war schon grandios…wurde aber durch die Vorstellung „des Blickes auf die andere Seite“ getrübt, der uns leider verwehrt blieb.

 

Projekt 2 musste her. Wir wälzten Reiseführer, Mondkalender und Karten, besorgten uns Infomaterial über die Gegend und brüteten einen neuen Plan aus. Diesmal wollten wir den vollen Erfolg kosten, uns selbst belohnen und der Nachwelt etwas Großartiges hinterlassen. Nach langem Abwägen und Diskutieren entschieden wir uns, das Projekt Milchstraße ins Leben zu rufen. Mount Somers schien uns dafür der geeignete Ort, da er gleichzeitig auch Ausgangspunkt für unser übernächstes Unterfangen – den Besuch von Mt. Sunday (dazu später mehr) – sein sollte.

 

Wir checkten am CP ein, nahmen uns eine kleine „Cabin“ und starteten die Vorbereitungen. Diesmal waren die Planungen noch umfangreicher (manch einer würde "übertrieben penibel" sagen, aber wir hatten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt) und wir setzten für Mitternacht ein Testshooting an, um Equipment und Gegebenheiten zu überprüfen.

 

Wir packten und machten uns in völliger Dunkelheit auf den Weg vor unsere Bleibe. Draußen war es nicht allzu dunkel, da mehrere Laternen und Lichter den CP erhellten, und uns traf der erste kleine Schlag. Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, Mount Somers als Ort zu wählen. Das Wörtchen Mount war irreführend, handelt es sich dabei nicht im eigentlichen Sinne um einen Berg, sondern um eine menschliche Ansiedlung. Das bedeutet auch Nachts Licht, das wir überhaupt nicht brauchen konnten. Also machten wir uns zu Fuß auf den Weg, um das Ende dieser Millionenmetropole zu finden und der Lichtverschmutzung zu entfliehen.

 

Kurze Zeit später ließen wir die letzte Laterne hinter uns – jetzt hieß es, eine freie Fläche mit möglichst weitem Horizont zu finden. Leichter gesagt als getan. Wir waren in einer sehr landwirtschaftlichen Gegend gelandet, und der Kiwi-Bauer pflanzt in der Regel Hecken um seine Gärten, Weiden und Äcker, um diese vor dem Wind zu schützen. Und Hecken sind hier richtige Hecken, 6-8 Meter hoch, mindestens.

 

Um’s kurz zu machen : Wir fanden schlussendlich ein Plätzchen zwischen 2 Hecken, nahmen dabei allerdings nur unterbewusst war, dass sich gleich nebenan ein bewohntes Haus befand. Unser Equipment wurde zusammengebaut, eingestellt und war betriebsbereit. Wir feuerten die ersten Schüsse auf die Milchstraße ab und waren vom Ergebnis begeistert. Ja, tatsächlich, das war die Milchstraße auf unserem Display – FREU ! Zwar noch nicht der helle „Kern“ (zu dieser Jahreszeit auf der Südhalbkugel erst gegen 4 h am Horizont zu sehen, und Ziel unserer Anstrengungen), aber immerhin ! Wir jubelten auf Grund dieses erfolgreichen Testes vor uns hin, lagen uns in den Armen und tanzten vor Glück – bis uns ein ebenso altbekanntes wie schreckliches Geräusch erstarren ließ – einige Meter weiter machte sich das Haustier des Hausbesitzers bemerkbar (wir standen offensichtlich in seinem Feld, oder vielleicht auch Garten). Leider hatte dieser weder eine Mause, noch eine Schildkröte und auch keine Katze – natürlich musste es ein Hund sein, der uns zwischenzeitlich bemerkt hatte und sein Herrchen warnte.

 

Einige Augenblicke später hörten wir ein Gespräch zwischen den beiden (der Inhalt ist uns im Detail leider nicht bekannt, da wir weder ausgesprochen gut Englisch noch die Hundesprache sprechen). Eine Taschenlampe ging an und der Lichtkegel bewegte ich auf uns zu (diese elende Petze und mieser Verräter von einem Hund !!!). Andi und ich standen wie Salzsäulen in der Dunkelheit und gaben keinen Ton von uns – allerdings suchten wir gedanklich die passenden englischen Worte für eine freundliche Begrüßung und demütige Entschuldigung zusammen. Zu einem Gespräch ist es allerdings nie gekommen – nein, der Hausbesitzer hatte (vermutlich) keine Waffe und hat uns auch nicht erschossen. Er machte schlichtweg kehrt, kurz bevor er uns sehen konnte. Puh.

 

Das nächste, das ich wahrnahm, war ein KLICK – oh nein, der Spiegel meiner Kamera hatte sich nach 30 Sekunden Belichtung gerade wieder geschlossen – ein im Anbetracht der Situation ein viel zu lautes Geräusch. Es vergingen Sekunden des Hoffens und des Banges, der Lichtkegel bewegte sich weiterhin von uns weg…………oh Mann, nichts wie weg hier und ab nach Hause !

 

Wecker wurde auf halb 3 gestellt, ja Pioniere können mitunter ein hartes Leben haben. Wir traten ausgeruht, frisch und munter wieder ins Freie, um nun endlich den Kern der Milchstraße einzufangen. Wir blickten um die Ecke, und was wir dort an der Laterne vorbeiziehen sahen, gefiel uns gar nicht : Nebel ! Häh, Nebel ?! Jetzt, in Neuseeland, im Sommer, am Abend des Neumondes, am idealen Tag für unser Projekt – im Ernst ?! Ja, leider, im Ernst.

 

Also hieß es : ab ins Auto und fahren. Fahren, bis der Nebel hinter uns liegt. Was wir schafften, nach einer viertel Stunde keine Spur mehr von Nebel – dafür umso mehr Spuren von Hecken. Überall. Links, rechts, eine nach der anderen. Unglaublich. Und als wir einen Feldweg fanden und eine Platz mit akzeptabler Sicht, muss ich nicht erzählen, was passierte, kaum waren wir ausgestiegen, oder ? Na klar, das altbekannte Geräusch…….so schnell waren wir noch nie im Auto und weg….Kiwis, wie wär’s mit Kanarienvögeln ?! Echt mal……

 

Wir suchten noch eine viertel Stunde weiter, ohne Erfolg und brachen Projekt Milchstraße dann ab, bevor wir Gefahr liefen, den Heimweg nicht mehr zu finden. Tja, und diesmal fühlten wir uns wie Flinsenhuber, der Anfang des 19. Jahrhunderts versucht hatte, auf einem Nilpferd reitend die Sahara zu durchqueren. Mangels Höcker hielt sein Nilpferd keine 2 Tage durch (einige Jahre später wurden dann auch die Kamele erfunden, aber leider kam ihm dann jemand zuvor).

 

Belohnt, so richtig belohnt wurden wir aber bei unserem Ausflug zu Mount Sunday. Ich erwähne jetzt mal nicht, dass man diesen Hügel nur über Schotterstraßen erreicht (…), aber die Wanderung danach war toll, und auf Mount Sunday zu stehen – auch als Edoras aus Herr der Ringe bekannt – war sagenhaft. Schöne Aussicht auf die umliegenden Alpen, tolles Wetter. Vom Wind mal abgesehen, der Orkanstärke gehabt haben muss – es bließ uns förmlich davon und manch Abschnitt konnte nur an irgendetwas klammernd bewältigt werden – aber trotzdem ein äußerst gelungener Ausflug. Inklusive Belohnung. Nebst der direkten Genugtuung, endlich etwas vollbracht zu haben, wird unser Erfolg durch diese Worte publik gemacht, und wir haben es ins Internet geschafft. Weltweit. Yeah.

 

Somit blieb uns dann auch die Schmach eines Brunzmüllers erspart, der 1902 versucht hatte, auf Rollschuhen das Matterhorn zu bewältigen. Am Ende hatte er unterm Strich allerdings Höhenmeter verloren, da es beim ersten steilen Stück nicht mehr vorwärts, sondern nur noch rückwärts ging…..

 


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